72h – Wir waren dabei!
Hinter dem Titel 72h verbirgt sich Österreichs größte Jugendsozialaktion „72 Stunden ohne Kompromiss“, die seit 2002 alle zwei Jahre stattfindet, diesmal coronabedingt doch mit ein paar kleineren Kompromissen, zum Beispiel, dass nicht am Einsatzort übernachtet wurde und dass das Abschlussfest aufgrund der Pandemie-Situation nicht gemeinsam stattfinden konnte.
Aber ansonsten waren wir voll dabei! Unser Einsatzort: Das Haus FranzisCa in Graz, eine Kombination aus Frauen- und Familien- Notschlafstelle und Unterkunft für geflüchtete Frauen, v.a. für so genannte „UMF“, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.
Unser Auftrag: Das Stiegenhaus in einem warmen Farbton neu ausmalen. Weil wir so schnell und gründlich gearbeitet haben, ist unser Einsatzgebiet gleich noch auf einen Gang im Wohntrakt der Bewohnerinnen ausgedehnt worden.
Unsere Erkenntnisse:
Einen „warmen Farbton“ in ihrem Leben können wohl viele Bewohnerinnen gut brauchen! Die Leiterin der Einrichtung, Carmen Brugger, erläuterte uns, dass viele dieser jungen Frauen sich bereits im Alter von ca. 12 oder 13 Jahren in ihrer ursprünglichen Heimat auf den Weg gemacht hatten, oft auf der Flucht vor Gewalt, und dass sie auf ihrem Weg bis hierher wiederum sehr oft Gewalt ausgesetzt waren. Frau Brugger sprach andeutungsweise über lebensgefährliche Fluchtrouten und Transportmittel (vollgestopfte Schlauchboote und Kleinbusse…), kriminelle Schlepper sowie die langwierige Prozedur, in Österreich als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt zu werden.
110! Das ist die magische Zahl! Die Unterkunft in so einem Camp ist für die geflüchteten Frauen kostenlos. Mit 110 Euro im Monat muss eine Person aber den gesamten Rest ihres Lebensunterhaltes decken können: Essen, Kleidung, Hygieneartikel, Hefte, Stifte, Straßenbahnkarten… Dass sich bei diesem Geldbetrag kein „Luxus“ (Kino, Fortgehen…?) ausgeht, ist klar.
Die Kontaktaufnahme mit den Bewohnerinnen war etwas zurückhaltend und vorsichtig, was bei solchen Vorgeschichten nicht verwunderlich ist, aber die wenigen entstandenen Kontakte waren sehr herzlich und freundlich.
Und noch eine letzte Erkenntnis: Während manche von uns sich ein bisschen Sorgen machten, ob sie allein zwischen Allerheiligen und Graz am richtigen Bahnhof den richtigen Zug zum Umsteigen erwischen würden, haben andere gleichaltrige Jugendliche zur gleichen Zeit unter dramatischen Umständen zwei halbe Kontinente durchquert. Wir haben festgestellt, dass das für uns einfach unfassbar ist!
22.10.2021 – Raphael Harrer, Felix Lehner, Hasan Isaew, Johanna Schachner, Andrea Mathe, Mag. Simone Krondorfer-Piller